Ein umfassender Überblick für Eigentümer:innen, Käufer:innen und Interessierte
Die Immobilienbewertung spielt in Nordrhein-Westfalen (NRW) eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, den realistischen Wert eines Hauses oder einer Wohnung zu bestimmen. Ganz gleich, ob Verkauf, Erbschaft, Finanzierung oder Scheidung – eine fundierte Wertermittlung bildet die Basis für viele wirtschaftliche und rechtliche Entscheidungen.– sie beeinflusst auch steuerliche Bewertungen, Finanzierungsentscheidungen oder Auseinandersetzungen bei Erb- und Scheidungsfällen.
Doch die Wertermittlung einer Immobilie folgt klaren gesetzlichen Vorgaben, nutzt etablierte Verfahren und stützt sich auf ein fein verzweigtes Netz von Datenquellen und Zuständigkeiten. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Bewertung in NRW konkret funktioniert, welche Stellen beteiligt sind, welche Methoden zur Anwendung kommen und wie Sie sich optimal vorbereiten können.
Verkehrswert – der rechtliche Anker
Der sogenannte Verkehrswert ist in § 194 des Baugesetzbuchs (BauGB) definiert als der Preis, der zum Stichtag im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre – „unter Berücksichtigung der rechtlichen Gegebenheiten, tatsächlichen Eigenschaften und Lage“ der Immobilie, aber ohne Einflussnahme durch persönliche oder ungewöhnliche Verhältnisse.
Mehr zur rechtlichen Definition
Das bedeutet: Es zählt nicht der Preis, den jemand vielleicht emotional zu zahlen bereit wäre, sondern ein objektiver, sachlich fundierter Wert, wie ihn ein:e durchschnittliche:r Käufer:in am Markt akzeptieren würde.
Wer ist für die Immobilienbewertung zuständig?
In NRW unterscheidet man zwischen öffentlichen und privaten Bewertungsstellen.

Öffentliche Gutachterausschüsse
Diese Gremien sind bei Kreisen und kreisfreien Städten angesiedelt und arbeiten unabhängig. Sie nutzen die sogenannte Kaufpreissammlung – ein Verzeichnis realer Immobilienverkäufe –, um daraus Bodenrichtwerte und Immobilienrichtwerte abzuleiten. Über das System BORIS-NRW können diese Werte öffentlich eingesehen werden.
Koordiniert werden die lokalen Gremien durch den Oberen Gutachterausschuss NRW, der für Vergleichbarkeit und Qualitätssicherung sorgt.
Privat beauftragte Sachverständige
Zertifizierte Immobilienbewerter:innen, Architekt:innen oder Bauingenieur:innen können ebenfalls Bewertungen vornehmen – insbesondere dann, wenn schnell ein Gutachten benötigt wird oder wenn die Bewertung nicht zwingend amtlich sein muss. Auch für informelle Marktwertschätzungen sind private Dienstleister:innen eine Option.
Bewertungsverfahren im Überblick
Drei gesetzlich verankerte Verfahren bilden die Grundlage jeder professionellen Wertermittlung. Sie sind in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) geregelt:
Vergleichswertverfahren
Wird vorrangig bei Eigentumswohnungen oder Baugrundstücken angewendet, da hier ausreichend Verkaufsdaten vergleichbarer Objekte vorliegen. Die Gutachterausschüsse stellen die nötigen Vergleichspreise zur Verfügung. Das Verfahren ist besonders transparent, da reale Marktpreise als Grundlage dienen.
Ertragswertverfahren
Kommt bei renditeorientierten Immobilien wie Mietshäusern oder Geschäftsbauten zum Einsatz. Der Wert basiert auf dem nachhaltig erzielbaren Reinertrag – also den zu erwartenden Mieteinnahmen abzüglich der Bewirtschaftungskosten.
Sachwertverfahren
Wird bei individuell gestalteten Objekten wie Einfamilienhäusern oder denkmalgeschützten Immobilien genutzt. Hier basiert die Bewertung auf den Herstellkosten, Altersabschreibung und dem Bodenwert.
Ablauf einer Immobilienbewertung – Schritt für Schritt
- Objektunterlagen sammeln
Benötigt werden Grundbuchauszug, Flurkarte, Baupläne, Wohnflächenberechnung, Energieausweis und – idealerweise – aussagekräftige Fotos. Ein strukturierter Fragebogen erleichtert die Erfassung. - Verfahren wählen
Welches Verfahren Anwendung findet, hängt vom Immobilientyp und vom Bewertungsziel ab. - Nutzung von Marktdaten
Über BORIS-NRW lassen sich Bodenrichtwerte, Immobilienrichtwerte und Vergleichsobjekte einsehen – sortiert nach Region und Nutzungsart. - Berechnung des Marktwerts
Die Berechnung erfolgt je nach Verfahren und wird durch Umrechnungskoeffizienten ergänzt, um individuelle Besonderheiten (z. B. Lage, Ausstattung, Baujahr) zu berücksichtigen. - Ergebnisdokumentation
Je nach Bedarf wird das Ergebnis in Form eines vollständigen Gutachtens oder als Kurzbewertung festgehalten – nutzbar für Bankgespräche, Behörden, Kaufverhandlungen oder interne Planung.
Kosten und Dauer eines Gutachtens in NRW
Ein häufiges Anliegen von Eigentümer:innen ist die Frage nach den Kosten und dem zeitlichen Aufwand, die mit einer professionellen Wertermittlung verbunden sind. Die Antwort hängt von mehreren Faktoren ab – etwa vom Immobilientyp, dem Umfang des Gutachtens und der beauftragten Stelle.
Wer erstellt das Gutachten – öffentlich oder privat?
- Gutachterausschüsse arbeiten gebührenpflichtig nach einer Gebührensatzung. Für ein umfassendes Verkehrswertgutachten liegt der Preis in der Regel zwischen 600 und 1.500 Euro, je nach Objektgröße und Komplexität. In speziellen Fällen – z. B. bei Erbauseinandersetzungen – können die Gebühren auch höher ausfallen.
- Zertifizierte Sachverständige orientieren sich an Honorartabellen oder bieten Pauschalpreise an. Für Standardobjekte wie Einfamilienhäuser bewegen sich die Kosten meist zwischen 750 und 2.000 Euro. Komplexe Immobilien, etwa mit gewerblicher Nutzung oder mehreren Einheiten, erfordern höheren Aufwand und können entsprechend mehr kosten.
Welcher Umfang ist gewünscht?
- Kurzgutachten oder Marktwerteinschätzungen (ohne rechtliche Verbindlichkeit) sind günstiger – oft bereits ab 250 bis 500 Euro erhältlich. Diese genügen beispielsweise zur groben Orientierung oder als Grundlage für Verkaufsgespräche.
- Vollgutachten mit gerichtsfester Dokumentation beinhalten Lageanalyse, Verfahrenswahl, Datenrecherche, rechtliche Prüfung und eine ausführliche schriftliche Ausarbeitung. Diese sind entsprechend umfangreicher und kostenintensiver.
Wie lange dauert die Erstellung?
- Kurze Marktwerteinschätzungen sind oft innerhalb von wenigen Tagen lieferbar, vor allem wenn alle Unterlagen vorliegen.
- Vollwertgutachten benötigen je nach Aufwand, Verfügbarkeit von Marktdaten und Termindichte ca. 2 bis 4 Wochen. Bei komplizierten Immobilien oder hohen Auftragsvolumen kann es auch länger dauern.
Tipp:
Unabhängig von der Kostenfrage lohnt es sich, im Vorfeld ein transparentes Angebot einzuholen und den genauen Leistungsumfang zu klären – etwa ob Ortstermine, Fotos, Recherchen oder Behördenkontakte inkludiert sind.
Regionale Unterschiede in NRW

NRW ist ein Bundesland der Kontraste: Zwischen den Immobilienpreisen in Düsseldorf oder Köln und ländlichen Regionen wie dem Sauerland oder der Eifel liegen teils Welten.
In Städten wie Münster oder Bonn wird das Vergleichswertverfahren bevorzugt – hier existieren viele homogene Wohnlagen und eine hohe Anzahl vergleichbarer Transaktionen. In ländlicheren Regionen wird hingegen häufiger das Sachwertverfahren angewendet, da vergleichbare Verkäufe seltener sind.
Ein realistischer Marktwert berücksichtigt diese Unterschiede – und passt sich den regionalen Marktbedingungen an.
Häufige Fehler und Missverständnisse
- Verwechslung von Angebotspreis und Marktwert
Ein häufiges Missverständnis: Der Preis, den jemand online aufruft, ist nicht automatisch der Wert der Immobilie. Erst der Preis, zu dem ein Objekt tatsächlich verkauft wird, ist marktrelevant. - Emotionale Überbewertung
Eigentümer:innen neigen dazu, persönliche Erinnerungen oder Eigenleistungen zu überbewerten. Eine objektive Einschätzung hilft, den realistischen Spielraum zu erkennen. - Vernachlässigung von Sanierungsbedarf
Veraltete Heizsysteme, schlechte Dämmung oder Modernisierungsrückstände beeinflussen den Wert erheblich – auch wenn das Haus ansonsten gepflegt ist.
Digitale Tools für eine erste Einschätzung
Einige Portale bieten gute Einstiegshilfen:
- BORIS-NRW: Bodenrichtwerte, Immobilienrichtwerte und der Immobilien-Preis-Kalkulator (IPK)
- Bodenrichtwerte Deutschland: Übersicht der Bodenrichtwertportale nach Bundesland
- Open.NRW: Offene Daten zu Bodenrichtwerten in NRW
- Online-Rechner von Verbraucherzentralen oder kommunalen Portalen (sofern angeboten)
Fazit
Die Immobilienbewertung in NRW ist kein Ratespiel, sondern ein strukturiertes Verfahren mit klaren Regeln und bewährten Methoden. Ob Verkauf, Erbe, Steuer oder Finanzierung – wer den tatsächlichen Marktwert kennt, trifft fundierte Entscheidungen.
Wer sich vorbereitet, Unterlagen sammelt, Marktverhältnisse analysiert und auf erfahrene Bewertungsstellen zurückgreift, verschafft sich nicht nur Sicherheit – sondern auch einen echten Verhandlungsvorteil.
Häufig gestellte Fragen zur Immobilienbewertung
Was ist der Unterschied zwischen Marktwert, Verkehrswert und Angebotspreis?
Der Marktwert ist in der Praxis gleichzusetzen mit dem rechtlich definierten Verkehrswert (§ 194 BauGB). Der Angebotspreis hingegen ist der Wunschpreis einer Verkäufer:in – nicht zwangsläufig der erzielbare Marktwert.
Ist eine Online-Wertermittlung wie bei BORIS-NRW ausreichend für den Verkauf?
Für eine erste Orientierung ja – besonders mit dem Immobilien-Preis-Kalkulator (IPK). Für rechtlich belastbare Zwecke, z. B. beim Finanzamt oder vor Gericht, ist ein professionelles Gutachten nötig.
Wie häufig sollte eine Bewertung erfolgen?
Sobald sich wesentliche Rahmenbedingungen ändern – z. B. bei Modernisierung, Marktveränderungen oder Nutzungsänderung –, kann eine neue Bewertung sinnvoll sein. Für Erb:innen oder Verkäufer:innen empfiehlt sich eine Aktualisierung spätestens alle 3 bis 5 Jahre.
Welche Unterlagen sollte ich für eine Bewertung bereithalten?
Grundbuchauszug, Wohnflächenberechnung, Baupläne, Energieausweis und möglichst aktuelle Fotos des Objekts. Mietverträge sind bei vermieteten Objekten ebenfalls relevant.
Was kostet ein Verkehrswertgutachten in NRW?
Je nach Objektart und beauftragter Stelle variieren die Kosten zwischen ca. 600 und 2.000 Euro. Kurzgutachten sind deutlich günstiger. Details finden Sie im Abschnitt „Kosten und Dauer eines Gutachtens“.